Corona in Konstanz - Experiment zur Social Value Orientation

Die Ergebnisse der dritten Befragung rund um die aktuelle Situation in Konstanz sind nun ausgewertet. Neben dem Umgang mit den Maßnahmen sowie der Wahrnehmung der Lage ist ebenfalls von Interesse, inwiefern die Menschen in Krisenzeiten aufeinander Rücksicht nehmen. Stimmt es, dass Menschen mehr an sich als an ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger denken? Die Ergebnisse des Social Value Orientation Experiments finden Sie hier.

Dritte Befragungswelle zur Lockerung der Maßnahmen

Vom 28.04. bis 10.05.2020 lief in Konstanz die dritte Sonderbefragung zur Corona-Krise. In die Befragungszeit fielen die ersten Lockerungen des Lockdowns in einzelnen Bundesländern – auch in Baden-Württemberg. Hier wurden beispielsweise Geschäfte wieder geöffnet und Spielplätze wieder zugänglich gemacht. Wie in den beiden Vorläuferbefragungen im März und April war die Teilnahmebereitschaft sehr hoch. Nach 1.470 Personen in der ersten Welle und 1.430 Personen in der zweiten Welle waren diesmal 1.402 Befragungsteilnahmen aus dem Kreis der Panelisten zu verzeichnen. Weitere 247 Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden durch die Befragten rekrutiert. Somit haben 1.649 Personen den Fragebogen ausgefüllt. Wie gewohnt, kommunizieren wir wichtige Ergebnisse möglichst zügig und schlaglichtartig.

Prosoziale Orientierungen dominieren

Erst in Krisenzeiten zeigt sich der wahre Charakter von Menschen, so wird häufig argumentiert. Zum Abschluss der dritten Befragung hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, in sechs Fallbeispielen Verteilungspräferenzen zu äußern – wenn ein hypothetischer Kuchen in Form von Geldbeträgen zwischen ihnen und einer fiktiven anderen Person aufzuteilen wäre. Hierfür wurde eine erprobte Skala zur social value orientation bzw. sozialen Wertorientierung (nach Murphy/Zimmermann 2015) verwendet. Durch die Analyse der Antworten kann man abschätzen, ob die Menschen vorrangig altruistisch, prosozial, egoistisch oder kompetitiv orientiert sind. Diese Orientierungen sind für verschiedene Verhaltensweisen in der Krisensituation von großer Bedeutung – etwa, wenn es darum geht, Mund- und Nasenschutz zu tragen oder Hamsterkäufe zu vermeiden – also Verhaltensweisen zu zeigen, die in erster Linie anderen und nicht einem selbst nutzen. Viele Befragte wollten in ihren Kommentaren zur Befragung wissen, was es mit den sechs Fragen zur Verteilung auf sich hat. Mithilfe der Skala ist es möglich, das Ausmaß der individualistischen beziehungsweise sozialen Orientierungen von Personen zu ermitteln. Für die Befragten der Konstanzer Bürgerbefragung gilt, dass neun von zehn Personen – und damit die übergroße Mehrheit – prosoziale Orientierungen aufweisen: Sie berücksichtigen in ihren Präferenzen nicht nur sich selbst, sondern auch andere und deren Wohlergehen. Etwa 10 % sind vornehmlich auf ihr eigenes Wohl hin orientiert – haben also solche Geldaufteilungen gewählt, die ihnen den höchstmöglichen Betrag zusprechen, ungeachtet der Auszahlung für das fiktive Gegenüber. Altruisten finden sich unter den Befragten genauso wenig wie Personen, die vor allem darauf aus sind, besser dazustehen als andere. Es wird vermutet, dass die gemessenen Orientierungen beispielsweise mit der individuellen Beachtung und Missachtung von sozialen Normen zusammenhängen. Und in der Tat, wie Abbildung 1 zeigt, fällt die Missachtung von Normen in der Corona-Krise bei prosozialen Personen deutlich niedriger aus als bei Personen mit individualistischen Orientierungen.

Mit den gewonnenen Ergebnissen zu den sozialen Orientierungen können weitere interessante Fragestellungen untersucht werden.