Corona in Konstanz - Mehr Infizierte, mehr Vertrauen?

Die Vorhersage der Experten trifft auch in Konstanz zu: Es infizieren sich immer mehr Menschen mit SARS-CoV-2. Vertrauen die Menschen nun politischen Entscheidungsträgern und Einrichtungen des Gesundheitswesens mehr? Durch die zweite Sondererhebung konnte die Entwicklungen in diesem Gebiet nachvollzogen werden.

Vertrauen in die politisch verantwortlichen Entscheidungsträger und das Gesundheitssystem

Seit Mitte März befindet sich Deutschland in einer Ausnahmesituation, die in kurzer Zeit viele Entscheidungen des politischen Systems auf unterschiedlichen Ebenen erfordert. Dies betrifft Verordnungen wie Kontaktbeschränkungen und Schließungen, aber auch Hilfsmaßnahmen. In beiden Wellen gaben die Befragten an, wie ihr Vertrauen in politische Entscheidungsträger und in das Gesundheitssystem ausfällt. In Abbildung 1 erkennt man, dass das Vertrauen zu beiden Befragungszeitpunkten in die Bundesregierung bei etwa 70 % sehr groß beziehungsweise groß ist. Nur bei etwa 10 % der Befragten ist das Vertrauen in die Bundesregierung gering/sehr gering. Ähnlich hohe und ebenso stabile Vertrauenswerte erzielen die Landesregierung und die Stadtverwaltung. Demgegenüber fallen die Werte für die EU-Kommission deutlich ab: Das Vertrauen angesichts der Herausforderungen ist hier nur für knappe 30 % der Befragten sehr groß/groß, allerdings mit einer leicht steigenden Tendenz. Ebenfalls etwa 30 % haben geringes/sehr geringes Vertrauen in die EU- Kommission, wenn sie an die Herausforderungen der Corona-Situation denken.

Das Vertrauen in Institutionen und Einrichtungen des Gesundheitssystems ist im Allgemeinen ebenfalls groß – mit einigen Differenzierungen und zeitlichen Veränderungen. Etwa zwei Drittel haben großes/sehr großes Vertrauen in die Weltgesundheitsorganisation (WHO) – mit einer von der ersten zur zweiten Befragungswelle leicht abnehmenden Tendenz. Die von den Befragten eingeschätzte Vertrauenswürdigkeit (Werte groß/sehr groß zusammengefasst) des Robert-Koch-Instituts (RKI) liegt höher als für die WHO – ebenfalls aber mit einem Rückgang von der ersten zur zweiten Befragungs­welle, während die Vertrauenswerte der sonstigen wissenschaftlichen Expert/innen von der ersten zur zweiten Welle noch gestiegen sind. Aus lokalem Blickwinkel ist das Vertrauen in die medizinische Versorgung in Konstanz von besonderem Interesse: Die ärztliche Versorgung kommt auf anhaltend hohe Werte (von etwa 70 %). Das Vertrauensniveau in die örtliche Krankenhausversorgung ist von der ersten zur zweiten Welle von etwa 65 % auf über 70 % angestiegen.

Die gemeinsame Betrachtung der Vertrauenswürdigkeit der politischen und medizinischen Institutionen ergibt positive statistische Zusammenhänge. Dies bedeutet, dass Befragte, die den politischen Institutionen vertrauen, auch höheres Vertrauen in die medizinischen Institutionen haben. Allerdings gibt es über alle Institutionen hinweg eine Minderheit von 3 % bis zu 10 % mit geringem/sehr geringem Vertrauen in beide Bereiche. Tendenziell fallen diese Anteilswerte von Skeptikern jedoch für die politischen Institutionen höher aus.

Gesundheit: Verdopplung der Kenntnis von infizierten Personen

Die Ausbreitung des Coronavirus hat zwischen dem Beginn der ersten Befragungswelle und dem Ende der zweiten Befragungswelle (vom 27. März bis zum 19. April) stark zugenommen. In Deutschland stieg die Zahl der kumulativ verzeichneten Infektionen von 55.413 auf 143.180 (nach Angaben des RKI). Für den Landkreis Konstanz stieg die Gesamtzahl in diesem Zeitraum registrierter Infektionen von 143 auf 394 an. Dies spiegelt sich in der Befragung darin wider, dass der Anteil von Befragten, die in ihrem Familien-, Bekannten-, Freundes- und Kolleg/innenkreis jemanden kennen, der positiv getestet wurde, von 16 % auf 32 % angestiegen ist. Hierfür ist neben der Ausbreitung des Virus auch die Verbreitung des Wissens um eine positive Testung in den sehr weit gefassten sozialen Kreisen bedeutsam. Die Befragten gaben auch an, wie viele Personen ihres Wissens in ihrem persönlichen Netzwerk mit dem Virus infiziert sind. Dies waren in der ersten Befragungswelle insgesamt 441 Personen, in der zweiten Welle waren es 1.074 Personen – was an der Anzahl der Befragten gewichtet einen Mittelwert von 0,31 in der ersten Welle und von 0,67 in der zweiten Welle ergibt (also ein/e Befragte/r kennt im Durchschnitt 0,67 infizierte Personen in seinem/ihrem Netzwerk). Zusätzliche Analysen ergeben, dass dieser Wert nicht mit dem Geschlecht, aber deutlich mit dem Lebensalter und der Netzwerkgröße zusammenhängt. Ältere Befragte kennen weniger infizierte Personen. Ebenso nennen Personen mit höherer Bildung – bei Kontrolle des Alters und der Netzwerkgröße – mehr infizierte Menschen in ihren persönlichen Netzwerken.

Diesen Analysen zur Verbreitung der Kenntnis Infizierter im Netzwerk steht eine verschwindend geringe Prävalenz von Infektionen der Befragten (Stand 19.04.2020) gegenüber. Wie Tabelle 1 zeigt, wurden nur 0,3 % der Befragten positiv getestet. Die Anzahl der negativ getesteten Personen beläuft sich auf 2,6 %.

Diese Werte würden – unter der Voraussetzung der einfachen Zufallsauswahl – eine grobe (und mit Unsicherheit behaftete) Abschätzung erlauben, wie viele Personen (über 18 Jahre) in Konstanz positiv getestet sind: Man kommt auf eine hochgerechnete Zahl von 186 Personen nach dem Ende der Osterferien. Das 90 %-Vertrauensintervall ist recht groß und reicht von 33 bis 339, d. h. die Abschätzung ist recht ungenau. Angesichts der zuvor berichteten Fallzahl für den gesamten Landkreis (394 am 19.04.2020) und des großen Bevölkerungsgewichts der Stadt Konstanz im Landkreis erscheint die geschätzte Zahl in der Bürgerbefragung zunächst als zu niedrig. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass Heimbewohner/innen (Alten- und Pflegeheime) in der Konstanzer Bürger­befragung nicht teilnehmen können. Mit gewissen zusätzlichen und schwer zu kontrollierenden Unsicherheiten verbunden dürfte die Schätzung eines sehr geringen Anteils positiv getesteter Personen (0,3 % bis 0,5 %) in der Wohnbevölkerung der Stadt aber realistisch sein. Auch wenn kaum belastbare Informationen über die Dunkelziffer von Corona-Infektionen bekannt sind, dürfte die Einschätzung, dass die Pandemie in Konstanz erst am Anfang steht, berechtigt sein. 

Weiterhin ist wichtig zu wissen, wie groß der Anteil der Befragten ist, die sich zur Corona-Risikopopulation zählen (aufgrund von Vorerkrankungen wie z. B. Bluthochdruck, Diabetes, Lungenerkrankungen und Beeinträchtigungen der Immunabwehr). Bei den 18- bis 30-Jährigen sind dies 7 %, in der Altersgruppe von 31 bis 59 Jahre sind es 19 % und bei den Älteren (60 und darüber) sind es immerhin 43 %.

Erhoben wurden in der zweiten Befragungswelle auch Beeinträchtigungen der Gesundheit und des Wohlbefindens in der letzten Woche. Deutlich liegt der Mangel an sozialen Kontakten mit über 50 % an der Spitze der Nennungen, wobei dies von jüngeren Befragten deutlich häufiger (63 %) angegeben wird. Von etwa einem Viertel der Befragten werden Müdigkeit, Rückenprobleme und Schlafstörungen genannt. Ein Fünftel gibt Traurigkeit und Langweile an. Immerhin noch 14 % berichten Angstgefühle. Ein knappes Viertel der Befragten gibt keinerlei Beeinträchtigungen an.